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Effekte einer Bewegungs- und Mikronährstoffintervention auf die kognitive und akademische Leistung südafrikanischer Grundschulkinder

Effekte einer Bewegungs- und Mikronährstoffintervention auf die kognitive und akademische Leistung südafrikanischer Grundschulkinder

Kinder aus dem südafrikanischen Gqeberha absolvieren den Flanker-task zur Erfassung der kognitiven Leistungsfähigkeit.

Exekutive Funktionen (EF) werden als grundlegende neurokognitive Prozesse verstanden, die an der Verarbeitung von Informationen sowie der Sprachentwicklung beteiligt sind. Dementsprechend werden die ersten Schuljahre auch als kritische Phase der kognitiven Entwicklung gesehen, in der sich EF wie beispielsweise Informationsverarbeitung und inhibitorische Kontrolle noch entwickeln. EF sind somit für das Lernen essentiell und korrelieren dementsprechend mit der akademischen Leistung. Aus vergangenen Forschungsarbeiten lässt sich erkennen, dass eine gesunde und ausgewogene Ernährung sowie regelmässige körperliche Aktivität (KA) für eine optimale kognitive Entwicklung von Bedeutung sind. Daten über die kognitive Entwicklung von Kindern sind in Länder mit tiefem-bis-mittlerem Einkommen, unter anderem in Südafrika, nur unzureichend verfügbar. Ziel der interdisziplinären, cluster-randomisiert kontrollierten KaziAfya-Studie war es, mit Forschungspartnern aus Südafrika, Tansania, und der Elfenbeinküste eine schulbasiertes Bewegungs- und Mikronährstoffintervention über zwei Schuljahre durchzuführen.

In der vorliegenden Studie wurden nun die Daten der südafrikanischen Kohorte nach der ersten Interventionsphase ausgewertet. Hier wurde insbesondere der Frage nachgegangen, ob die Kombination aus Bewegungsintervention (KA) (KaziKidz) und Multimikronährstoffsupplementation (MMNS) einen grösseren Einfluss auf die kognitiven und akademischen Leistungen bei Grundschulkindern hat, gegenüber der jeweiligen Einzelintervention und Placebo-Bedingung. Kinder im Alter zwischen 6-12 Jahren aus 4 Schulen einer südafrikanischen Stadtrandregion wurden zufällig in eine der 4 Interventionsgruppen zugeteilt: (i) KA + MMNS, (ii) KA + Placebo, (iii) MMNS oder (iv) Placebo. Die kognitive Leistungsfähigkeit wurde mit einem Computer-basierten Test erfasst (Flanker-Task). Die akademische Leistung wurde über die Schulnoten zum Jahresende ermittelt. Zusätzlich wurde der Ernährungszustand der Kinder als mögliche Einflussvariable durch anthropometrische Messungen berechnet. Alle Messungen erfolgten unmittelbar vor Interventionsbeginn im April 2019 sowie ein weiteres Mal im September 2019.

Insgesamt nahmen 932 Kinder (49 % Mädchen) im Alter von 8.42 Jahren (± 1.94 Jahre) an beiden Untersuchungen teil. Es lässt sich nach Ende der ersten Interventionsphase beobachten, dass sich die kognitiven Leistungen der Kinder in allen vier Gruppen verbesserten und sich nicht signifikant voneinander unterschieden. Es ist zu vermuten, dass die altersbedingte Entwicklung sowie der Lerneffekt beim erneuter Durchführung des Tests einen grösseren Einfluss auf die kognitive Leistungsfähigkeit hatte als die 12-wöchige Intervention. Ebenfalls zeigte sich bei den akademischen Leistungen kein signifikanter Vorteil der kombinierten Intervention im Vergleich zur Placebo-Gruppe. Vielmehr belegten die grossen Schwankungen zwischen den einzelnen Schulen und Klassen, dass akademische Leistungen insbesondere in benachteiligten Regionen von anderen, ausserschulischen Einflussfaktoren bestimmt wird.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Gesundheitsinterventionen, die in westlichen und einkommensstarken Ländern dafür bekannt sind, einen positiven Einfluss auf die kognitive Leistungsfähigkeit zu haben, sich nicht ohne weiteres auf Grundschulkinder aus einkommensschwachen und marginalisierten Wohngemeinden übertragen lassen.

Eine Stärke der Studie lag in der zugrundeliegenden Altersgruppe. Während der Einfluss der Multimikronährstoffsupplementation auf die kognitive Entwicklung in erster Linie bei Kindern bis zum fünften Lebensjahr untersucht wurde, gibt es derzeit kaum Informationen über eine optimale Gestaltung (Dauer, Setting) bei Schulkindern. Auch die Bedeutung von Bewegungsprogrammen in der Schule zur Verbesserung der Aufmerksamkeit im Unterricht in einkommensschwachen Ländern, die häufig mit Lehrkräftemangel, überfüllten Klassenräumen und hohen Absenzen zu kämpfen haben, bleibt weiterhin eine wichtige Aufgabe für zukünftige Forschungsprojekte.

Im Detail können die Erkenntnisse der Studie unter folgendem Link nachgelesen werden: https://doi.org/10.3390/nu14132609

 

Beckmann, J., Nqweniso, S., Ludyga, S., du Randt, R., Gresse, A., Long, K.Z., Nienaber, M., Seelig, H., Pühse, U., Steinmann, P., Utzinger, J., Walter, C., Pühse, U., Gerber, M., & Lang, C. (2022). Evaluation of a physical activity and multi-micronutrient intervention on cognitive and academic performance in South African primary schoolchildren. Nutrients 2022, 14, 2609.