/ Forschung

Selbstwertgefühl, körperliche Aktivität, Körperselbstbild und gestörtes Essverhalten

Zu den Entwicklungsaufgaben der Adoleszenz gehören der Aufbau der individualisierten Identität und des Selbstwertgefühls, der Umgang mit den Veränderungen des eigenen Körpers sowie der Aufbau sozialer Skills, welche die Grundlage für spätere, intimere Beziehungen und für den Umgang mit Gleichaltrigen bieten. Was das Aussehen des eigenen Körpers anbetrifft, so sind erhöhte körperliche Aktivität und eine willentlich gesteuerte Kalorieneinschränkung die gängig-
sten Methoden, die Körperfigur zu regulieren. Die willentlich gesteuerte Kalorieneinschränkung kann pathologische Anzeichen annehmen; dann wird von gestörtem Essverhalten gesprochen.

Wer (weibliche) Jugendliche mit gestörtem Essverhalten psychotherapeutisch behandelt, weiss um die Therapieresistenz jener jungen Frauen. In der vorliegenden Studie sind deshalb Forschen-
de des Abteilung Sport und Psychosoziale Gesundheit zusammen mit Kolleg*innen der Univer-
sität Tabriz (Iran) der Frage nachgegangen, ob und wie gestörtes Essverhalten mit Selbstwert-
gefühl, körperlicher Aktivität und Körperselbstbild zusammenhängen. Hierzu haben 263 junge Frauen im Alter von etwa 16 Jahren aus dem Nordwestiran Fragebögen ausgefüllt. Teilnehmerinnen, die angaben, ein hohes Selbstwertgefühl zu haben, haben auch angegeben, sich sportlich mehr zu betätigen, ein schlankes Körperselbstbildideal anzustreben, und vor allem aber auch ein gestörteres Essverhalten zu haben. Ein gestörtes Essverhalten wurde am besten durch ein erhöhtes Selbstwertgefühl vorausgesagt. Ein schlankeres Körperideal war mit mehr körperlicher Aktivität, nicht aber mit gestörtem Essverhalten assoziiert.

Die Resultate weisen auf einen komplexeren Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität, Körperselbstbild, Selbstwertgefühl und Kalorienrestriktion bei jungen Frauen hin. Vor allem der Zusammenhang zwischen gestörtem Essverhalten und erhöhtem Selbstwertgefühl kann als Grund gesehen werden, weshalb die psychotherapeutische Behandlung junger Frauen mit Essstörungen so oft misslingt.

In ausführlicher Form lassen sich die Ergebnisse der Studie in der Fachzeitschrift
«Psychological Reports» nachlesen:

Zamani Sani, S. H., Fathirezaie, Z., Gerber, M., Pühse, U., Bahmani, D. S., Bashiri, M., . . . Brand, S. (2020). Self-Esteem and Symptoms of Eating-Disordered Behavior Among Female Adolescents. Psychological Reports, doi: 10.1177/0033294120948226.

Link zur Studie: https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/0033294120948226