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Jugendliche Nachteulen haben ein erhöhtes Risiko an Stimmungsstörungen zu leiden, unabhängig von ihrer Schlafdauer

Personen, die einen sehr späten Schlaf-Wach Rhythmus haben, werden auch als späte Chronotypen bezeichnet. Eltern von Jugendlichen kennen das Phänomen nur zu gut, wenn der Sprössling an Schultagen nur mühsam aus dem Bett zu locken ist. Ein normales und dennoch nicht unbedenkliches Phänomen. Menschen mit spätem Chronotyp neigen signifikant häufiger zu depressiven Verstimmungen, Diabetes Typ II, Herz-Kreislauferkrankungen, und inaktivem Verhalten. Auch im Jugendalter lässt sich bereits bei Individuen mit spätem Chronotyp ein erhöhtes Depressionsrisiko beobachten, häufige Absenzen und erhöhter Alkoholkonsum. Bislang sind die komplexen Zusammenhänge zwischen Chronotyp und mentaler Gesundheit noch unzureichend erforscht, insbesondere im Jugendalter. Im Rahmen der vom SNF-finanzierten Kooperationsstudie zwischen der Universität Basel und der Flinders University (Early Postdoc.Mobility) wurde deshalb bei 19 körperlich inaktiven Jugendlichen mit spätem Chronotyp der Zusammenhang zwischen Stimmung, Schlafverhalten sowie zirkadianer Rhythmik (= biologische Uhr) untersucht. Als Marker für den zirkadianen Rhythmus wird die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin (DLMO) gemessen.

An Schulnächten betrug die durchschnittliche Schlafdauer 7,7 Stunden, an Wochenenden rund 9 Stunden. Der DLMO der Jugendlichen mit spätem Chronotyp begann im Mittel erst gegen 23:13 Uhr, und trat damit im Vergleich zu «normal-schlafenden» Peers deutlich später auf. Erwartungsgemäss zeigte sich, dass der DLMO bei leichten Spättypen früher als bei moderaten und extremen Spättypen war. Überraschend hingegen war, dass extreme Spättypen sich nicht von den moderaten Spättypen unterschieden. Der noch spätere Schlaf-Wach Rhythmus der extremen Spättypen erklärt sich demnach nicht allein aus einem verzögerten zirkadianem Rhythmus. Weitere verhaltensbedingte Faktoren spielen vermutlich eine Rolle (z.B. Social-Media, Videospiele).

Ein weiteres Ziel der Studie war es den Phasenwinkel zu erfassen, ein Marker für die Synchronisierung der zirkadianen Rhythmik mit dem 24-h Rhythmus der Umwelt. Durch ihn lässt sich abschätzen, wann unser optimales Schlaffenster ist. Er berechnet sich aus der Differenz zwischen DLMO und Schlafenszeit. In der Regel wählen gesunde Schläfer eine zu-Bett-Gehzeit ca. 2 Stunden nach ihrem DLMO, wobei dieser Phasenwinkel bei Jugendlichen geringer ist. In unserer Population lag der Phasenwinkel bei 2,5 Stunden. Eine Subgruppenanalyse ergab, dass extreme Spättypen einen Phasenwinkel von fast 4 Stunden aufwiesen, und damit ihr optimales Schlaffenster, welches bedeutend für erholsamen Tiefschlaf ist, weit verfehlten. Im Gegenzug kann es zu Einschlafproblemen kommen, wenn man vor seinem optimalen Schlaffenster zu-Bett geht. An Schultagen versuchten sich insbesondere die leichten Spättypen an eine «sozialverträgliche» Uhrzeit anzupassen, welches sich in einem Phasenwinkel von 1,6 Stunden wiederspiegelte. Folglich wurde die Schlafqualität an Schultagen geringer als am Wochenende bewertet, wo die Jugendlichen ihr optimales Schlaffenster ausnutzen konnten. Extrem späte Chronotypen gingen am Wochenende ebenfalls später schlafen, entfernten sich damit aber noch weiter von ihrem erholsamen Schlaffenster. Folglich war ihre Schlafqualität an freien Tagen schlechter als an Schultagen. Insgesamt liess sich beobachten, dass die Schlafqualität mit zunehmendem Spättyp abnahm. Gleichzeitig stieg das Risiko für Stimmungsstörungen, und zwar unabhängig von der Schlafdauer. Eine ausreichende Schlafdauer ist damit nicht allein verantwortlich für eine gute Schlafqualität und gesunde Stimmung.

In einer aktuellen Studie ermitteln wir deshalb, inwiefern körperliche Aktivität, gezielt zur Stabilisierung des Schlaf-Wach Rhythmus, der Schlafqualität und Stimmung bei psychiatrisch erkrankten Jugendlichen eingesetzt werden kann (Transpac-Studie Details | Departement für Sport, Bewegung und Gesundheit (unibas.ch))

Lang C, Richardson C, Micic G and Gradisar M (2022) Understanding Sleep-Wake Behavior in Late Chronotype Adolescents: The Role of Circadian Phase, Sleep Timing, and Sleep Propensity. Frontiers in Psychiatry 13:785079. doi: 10.3389/fpsyt.2022.785079

https://www.frontiersin.org/article/10.3389/fpsyt.2022.785079